Pressemitteilung Nr. 154 / 1995 vom 15.09.1995

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KUNSTMINISTERIN DR. CHRISTINE HOHMANN-DENNHARDT ERÖFFNET LITERATUR-WOCHENENDE IN FRANKFURT

"Literatur im I.G.-Farben-Haus" als Auftakt der Kulturwochen des Jubiläums "Hessen wird 50 - Wir feiern"



FRANKFURT/WIESBADEN - Zum Auftakt der Kulturwochen im I.G.-Farben-Haus in
Frankfurt hat die Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Dr. Christine
Hohmann-Dennhardt, am Samstag abend das Wochenende "Literatur im
I.G.-Farben-Haus" eröffnet. Namhafte Schauspielerinnen und Schauspieler tragen
bis einschließlich Sonntag abend Texte von Opfern und Tätern des
Nationalsozialismus vor. Veranstaltet werden die Lesungen vom Literaturhaus
Frankfurt und dem Schauspiel Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Hessischen
Staatskanzlei und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Die Kulturwochen im
I.G.-Farben-Haus sind Teil der Jubiläumsfeier der Hessischen Landesregierung
"Hessen wird 50 - Wir feiern".

"Die Konzeption der Veranstaltungsreihe zum Hessenjubiläum", so Ministerin
Hohmann-Dennhardt, "beruht auf der Einsicht, daß 1945 nicht die Stunde Null war."
Der fünfzigste Geburtstag Hessens verweise auch auf die dem Geburtsdatum
vorhergehende Vergangenheit, die trotz manch gegenteiliger Behauptung noch
längst nicht aufgearbeitet sei. Daher begrüße sie es, daß am Anfang der
Jubiläumsreihe ein Rückblick auf die Zeit des Nationalsozialismus erfolge.

Beginnen wird das Literaturwochenende am Samstag abend mit einer Lesung aus
dem Werk Hans Grimms, der mit "Volk ohne Raum" den Nationalsozialisten eine
populäre Grundlage für ihre expansionistische Ideologie geliefert hatte und ein
Beispiel dafür ist, wie man mit Sprache den Boden bereiten kann, auf dem
Rassismus wächst. In den fünfziger Jahren unternahm Grimm mit seiner
Autobiographie "Rückblicke" den Versuch, seine Haltung im Dritten Reich zu
rechtfertigen. Gelesen werden die Texte von Mitgliedern des Ensembles des
Schauspiels Frankfurt.

Am darauffolgenden Sonntag, dem 17. September, wird die Perspektive wechseln.
Vorgetragen werden Texte von Verfolgten des NS-Regimes. Ab 12.00 Uhr liest der
Kabarettist und Schauspieler Michael Quast aus dem autobiographischen Roman
"Geheimnis und Gewalt" des Bildhauers und Schriftstellers Georg Glasner, der sich
als Tramp und Hilfsarbeiter durchschlug, später für die "Frankfurter Zeitung" schrieb
und als Antifaschist in ein Frankfurter Zwangsarbeiterlager verschleppt wurde.

Um 15.00 Uhr liest Rosemarie Fendel aus den Erinnerungen der jüdischen
Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger, die als Kind Auschwitz überlebte. Dieser
Schreckensort ist auch Thema der Aufzeichnungen von Charlotte Delbo, die sie
unmittelbar nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager verfaßte, und denen
sie den Titel "Auschwitz und danach" gab. Ab 16.00 Uhr liest Hannelore Elstner aus
der Triologie dieser jüdischen Résistance-Kämpferin.

Die Perspektive der "Entkommenen" und die Trauer über den Tod der Ermordeten
bestimmen Texte der Dichterin Nelly Sachs. Die Lesung mit der Autorin und
Filmemacherin Carmen-Renate Köper fängt um 17.00 Uhr an.

Den Abschluß bildet ein etwa um 19.30 Uhr beginnender Vortrag, in dessen
Rahmen der Autor Arno Lustiger gemeinsam mit den Schauspielern Peter Heusch,
Jochen Nix, Gertraud Heise, Monika Müller und Silvia Heid aus der Lyrik von
Jitzchak Katzenelson vorliest. Das Werk entstand in einem Lager in Frankreich,
nachdem Familie und Freunde des Dichters ermordet worden waren. Wenig später
wurde auch Katzenelson selbst umgebracht.


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