Pressemitteilung Nr. 0 / 1997 vom 24.03.1997

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WEICHENSTELLUNG FÃœR DIE ZUKUNFT

Hessische Wissenschaftsministerin Hohmann-Dennhardt legt umfassendes Reformwerk für die hessischen Hochschulen vor. Entwurf für neues Hessisches Hochschulgesetz der Öffentlichkeit vorgestellt

Der vollständige Text des Gesetzentwurfs zur Novellierung der Hessischen Hochschulgesetze ist über die homepage der TH Darmstadt (http://www.th-darmstadt.de) zu erhalten. Auch die GHK hat inzwischen den gesamten Gesetzestext eingestellt (http://www.uni-kassel.de/pvabte/forum/hhg00000.htm).

Wir bitten dort nachzuschlagen.

Die Pressestelle


Nachfolgend die Erläuterungen von Dr. Christine Hohmann-Dennhardt zum Entwurf:


STATEMENT
von Frau Staatsministerin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt
während der Pressekonferenz
"Novelle zur hessischen Hochschulgesetzgebung"
am 24. März 1997, 11.00 Uhr,
im Hessischen Landtag





NEUE CHANCEN FÃœR HESSENS HOCHSCHULEN

Zukunft durch moderne Strukturen


Nachdem ich im September letzten Jahres 22 "Eckpunkte" für die hessische Hochschulreform vorgestellt habe, möchte ich Ihnen heute meinen Gesetzentwurf vorlegen, den wir auf der Grundlage meiner Eckpunkte im letzten halben Jahr ausgearbeitet haben. Ich habe hierzu eine Vielzahl von Diskussionen geführt, etwa mit den Hochschulpräsidenten und -rektoren oder den ASten, und viele Erörterungen werden sicher in den kommenden Wochen und Monaten im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahren folgen. Ein wichtiges Etappenziel ist aber heute mit dem Entwurf erreicht:

Ein rundes Vierteljahrhundert nach seinem Inkrafttreten und einer Reihe kleinerer Veränderungen im Verlauf der Jahre wird damit das hessische Hochschulrecht umfassend reformiert. Aus bisher vier unterschiedlichen Gesetzen - dem Hessischen Hochschulgesetz, dem Universitätsgesetz, dem Fachhochschulgesetz und dem Gesetz über die Kunsthochschulen - wird ein einheitliches Hochschulgesetz geschaffen. Es bringt die Gleichbehandlung der Hochschultypen und ein beträchtlich schlankeres Regelwerk; anstelle von bisher 230 Paragraphen wird es künftig nur noch 116 umfassen.

Nach andernorts vielen Einzelmaßnahmen und noch mehr Erklärungen zum Reformbedarf an den Hochschulen ist Hessen das erste Land, in dem jetzt ein geschlossener Gesetzentwurf vorgelegt wird.


II

Darüber, daß an den Hochschulen Reformbedarf besteht, herrscht weitgehend Konsens - beim Bund, in den Ländern, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ebenso wie in den Hochschulen selbst. Der Reformdruck resultiert aus der Tatsache, daß den in den zurückliegenden zweieinhalb Jahrzehnten fast unverändert gebliebenen Strukturen an den Hochschulen eine beträchtliche Entwicklungsdynamik auf vielen Gebieten gegenübersteht: der Anstieg der Studierendenzahlen; der Anstieg der Anteile an den Jahrgängen, die ein Studium aufnehmen; weitreichende Änderungen im Studierverhalten; die Ausdifferenzierung des Hochschulsystems in Universitäten und Fachhochschulen, aber auch in eine Vielzahl neuer Fachbereiche und Studiengänge; das beschleunigte Wachstum des Wissens, das zu vermitteln ist; der nicht zuletzt technologisch bedingte Wandel der Vermittlungsformen und wachsende Internationalisierung; der enger gewordene Zusammenhang zwischen Wissens- und Wirtschaftsgesellschaft, zwischen Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort.

Die Reform soll verhindern, daß unsere Hochschulen mit Strukturen aus den 60er Jahren den Marsch ins 21. Jahrhundert antreten müssen. Daß dabei unterschiedliche Wege beschritten werden und dies die Länder auch ausdrücklich können, halte ich für eine gewinnbringende Konsequenz der föderalen Struktur unseres Hochschulsystems, und ich hoffe, daß das neue Hochschulrahmengesetz dem in Zukunft auch Rechnung tragen wird.


III

Ich kann Ihnen heute an dieser Stelle sicherlich nicht alle Änderungen des Hessischen Hochschulrechts im einzelnen vortragen, deshalb möchte ich zur Kennzeichnung meines jetzt vorliegenden Entwurfs für ein Hessisches Hochschulgesetz drei Schwerpunkte ansprechen:

1. Wir wollen den Weg frei machen für ein zukunftsorientiertes Studieren. Das neue Gesetz macht deutlich, daß das "Kerngeschäft" der Hochschulen die Lehre ist.

- Wir wollen eine bessere Betreuung und Orientierung für die Studierenden. Die Verantwortung der Lehrenden für die Lernenden wird wieder stärker betont, indem Professoren und Dozenten für Gruppen von Studierenden die Funktion von Mentoren übernehmen.

- Wir wollen, daß die Qualität der Lehre einer kontinuierlichen Prüfung unterzogen wird und daß diejenigen, um die es in erster Linie geht, nämlich die Studierenden,in den entsprechenden Bewertungsverfahren eine zentrale Rolle spielen.

- Wir wollen, daß die Studierenden in allen die Organisation der Lehre und des Studiums betreffenden Fragen mehr Mitspracherechte erhalten. Der Aufgabenkatalog der verfaßten Studentenschaft wird erweitert.

Wir wollen, daß die Befähigung zur Lehre bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und bei der Einstellung von Professoren künftig einen höheren Stellenwert erhält.

- Wir wollen bessere Voraussetzungen für ein zügiges Studium schaffen. Die Hochschulen sind aufgefordert, den Lehrstoff immer wieder zu entschlacken und die Abwicklung der Prüfungen ohne Verzögerungen zu garantieren.

Wir wollen der Tatsache, daß inzwischen 30 Prozent der Studierenden berufstätig sind, Rechnung tragen. Wir schaffen die Voraussetzungen für die Einrichtung von Teilzeitstudiengängen und bessere Bedingungen für berufsbegleitendes Studieren.

- Wir wollen, daß die Ausbildung für das Lehramt besser auf die besonderen Anforderungen dieses Berufs ausgerichtet wird und die Studierenden mehr Orientierung erhalten. An allen Universitäten, die Lehramtsstudiengänge anbieten, werden daher fachbereichsübergreifende Zentren für Bildungsforschung und Lehramtsausbildung eingerichtet.

- Wir wollen die verstärkte Ausrichtung der Hochschulen auf internationale Standards. Auf der Grundlage von Vereinbarungen mit ausländischen Hochschulen können neue berufsqualifizierende Abschlüsse festgelegt werden, es werden international gebräuchliche Grade vorgesehen, die deutschen Grade werden in einem internationalen Credit-point-System verankert. Englisch- und EDV-Kenntnisse sollen als Basis-Wissen geprüft werden.

Und ein weiteres:
- Studien- und Prüfungsgebühren für grundständige Studiengänge sollen in Hessen weiterhin nicht erhoben werden.


2. Wir wollen Forschung auf hohem Niveau sichern.

- Auch in der Forschung ist die kontinuierliche Evaluierung das zentrale Instrument zur Wahrung der Standards. Neben der weiterhin notwendigen institutionellen Förderung wird die Vergabe eines Teils der staatlichen Zuschüsse an die Leistungen in Lehre und Forschung gebunden.

- Die Fachhochschulen erhalten den Auftrag, anwendungsorientierte Forschung zu betreiben.

- Wir wollen im Bereich der Forschung mehr Transparenz. Die Hochschulen informieren die Fach- wie die allgemeine Öffentlichkeit regelmäßig über ihre Vorhaben, ihre Forschungsleistungen und den Einsatz von Mitteln und Personal.

- Die Hochschule erhält einen Beirat, der den Dialog mit der Region fördert, die Hochschule beim Wissenstransfer berät und zu ihrer Entwicklungsplanung Stellungnahmen abgibt. Im gehören Repräsentanten aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft an.

- Wir wollen eine klarere Herausstellung der Verantwortung, die die wissenschaftliche Forschung im Hinblick auf ihre Gegenstände und Methoden hat; wir wollen, daß sie die Konsequenzen ihres Tuns reflektiert und dies interdisziplinär organisiert. Die in diesem Zusammenhang von großen Teilen der Bevölkerung zur Diskussion gestellten Tierversuche werden z.B. auf das für die Zulassung von Prüfungen unumgängliche Maß reduziert; wo alternative Lehr- und Lernmethoden zur Verfügung stehen, müssen diese eingesetzt werden.

- Wir wollen die Kontinuität hochrangiger Forschung durch die bestmögliche Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sichern. Um diese noch effektiver zu gestalten, werden von den Senaten der Hochschulen auf Vorschlag der Fachbereiche Beauftragte bestellt, die die Maßnahmen koordinieren und z.B. Verfahren einleiten und begleiten, die auch ohne zeitraubende Habilitation zur Professoren-Qualifikation führen.

- Wir wollen eine enge Kooperation zwischen unterschiedlichen Forschungseinrichtungen, zwischen den Hochschultypen, zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.Anwendungsbezogene Forschung wird gefördert, darf aber kein Selbstbedienungsladen sein. Drittmittelforschung wird auf klare Füße gestellt. Für die Inanspruchnahme von Personal, Mitteln und Einrichtungen ist bei wissenschaftlichen Nebentätigkeiten künftig ein Zehntel der Entgelte an die Hochschule abzuführen. Die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die gesellschaftliche und betriebliche Praxis wird zu einer Aufgabe der Hochschulen.

- Zum Thema Frauenförderung bedarf es in Hessen keiner gesetzlichen Sonderbestimmungen, da die Frauenbeauftragten hier - bisher einzigartig - Teil der Präsidialverfassung sind, was deren Bedeutung unterstreicht und u.a. deren sechsjährige Amtszeit ermöglicht. Zusätzliche frauenfördernde Maßnahmen erfolgen zum Beispiel durch ein neues Habilitationsprogramm für Frauen. Die neuen Bestimmungen zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und zur Berufung befördern darüber hinaus die Berücksichtigung der besonderen Situation von Frauen und ermöglichen damit, daß mehr Frauen eine Chance auf ein Professorinnenamt erhalten.

3. Um diese Verbesserungen in der Lehre wie der Forschung verwirklichen zu können, benötigen die Hochschulen schlankere und modernere Strukturen.


- Wir wollen die Autonomie der Hochschulen weiter stärken. Durch mehr Eigenständigkeit und Eigenverantwortung wird ihnen ein rascheres, effizienteres und professionelleres Handeln ermöglicht. Die Ansätze für Personal und Sachaufwendungen sollen gegenseitig deckungsfähig sein. Nicht ausgegebene Mittel können für Rücklagen verwandt werden.

- Wir wollen mehr Autonomie auch durch die Zurücknahme von staatlichen Vorgaben und Genehmigungsvorbehalten. Der Bereich der Selbstverwaltung wird erweitert, der der Auftragsangelegenheiten reduziert. Die Einrichtung von Instituten, Seminaren und Zentren wird Sache der Hochschulen. Konkrete Zielvereinbarungen sichern den Hochschulen die Mitwirkung bei Schwerpunktsetzungen bei Studienangeboten und Forschungskapazitäten.

- Wir wollen eine bessere Überschaubarkeit, klarere Abgrenzungen und direktere Verantwortung in den Entscheidungsgremien. Die zentralen Gremien der Hochschulen werden daher verkleinert, ihre Zahl reduziert. Ein neu zusammengesetzter Senat wird das zentrale Entscheidungsgremium der Hochschule sein. Die Präsidenten erhalten deutlich umrissene Exekutivkompetenzen.

- Wir wollen durch eine Vergrößerung der Fachbereiche, die Verlagerung von Kompetenzen auf sie und die Verlängerung der Amtszeiten der Dekane mehr Professionalität auf dezentraler Ebene ermöglichen.

- Wir wollen mehr Flexibilität für die hessische Hochschullandschaft. Durch die Verankerung einer Experimentierklausel erhalten die Hochschulen die Möglichkeit, Varianten ihrer Organisationsform zu entwickeln und zu realisieren.

- Wir wollen eine bessere Verzahnung aller Hochschuleinrichtungen in Hessen. Universitäten und Fachhochschulen sollen andersartige, aber gleichwertige Hochschultypen sein. Sachlich nicht gerechtfertigte Barrieren sollen überwunden werden. Die Universitäten werden darauf verpflichtet, Fachhochschulabsolventen nach einem zweisemestrigen vertiefenden Studium als Doktoranden anzunehmen oder sie zur Diplomprüfung zuzulassen. Darüber hinaus werden sie aufgefordert, miteinander und mit anderen Forschungseinrichtungen des Landes zu kooperieren.


IV

Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist ganz bewußt nicht der Versuch, die Hochschulen einseitig zu ökonomisieren, sie zu amerikanisieren oder auf unsinnige Erfolgskurse zu trimmen. Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort haben miteinander zu tun, wir wollen die Bedingungen der Zusammenarbeit auf diesem Felde verbessern. Vorrangig geht es aber darum, auf der Basis hervorragender Forschung, die an unseren Hochschulen stattfindet und für die zukunftssichernde Vorraussetzungen geschaffen werden, bestmögliche Qualifizierung unserer Jugend zu garantieren.

Die Entwicklung des Humankapitals, das, was eine Generation weiß und die nachrückende lernt, ist an der Wende zum 21. Jahrhundert die entscheidende Ressource einer Gesellschaft. Das Ziel, die Hochschulen für alle Schichten offenzuhalten, wird deshalb beibehalten und unterstrichen; die europäisch-deutsche Tradition der Einheit von Forschung und Lehre gewahrt und für einen neuen Zeitabschnitt realisierbar gemacht.

Der Startschuß dafür ist mit meinem Gesetzentwurf nun gemacht, die Beratungen im Kabinett und Parlament können beginnen.

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