Pressemitteilung Nr. 93 / 1999 vom 17.09.1999

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GRUßWORT DER HESSISCHEN MINISTERIN FÜR WISSENSCHAFT UND KUNST, RUTH WAGNER, ZUM TAG DER HESSISCHEN LANDESGESCHICHTE 1999 AM 19. SEPT. 1999 IN FRITZLAR


Fritzlar/Wiesbaden - "Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein und Ihnen meine herzlichen Grüße und die der Landesregierung zu dem diesjährigen Tag der Hessischen Landesgeschichte überbringen zu können.

Ich freue mich auch immer wieder, wenn ich in Fritzlar bin, einer durch und durch "geschichtsträchtigen" Stadt von größter Bedeutung auch und insbesondere für die Geschichte unseres Landes.

Fritzlar ist für seine Besucher mit seinem Dom und seinem Rathaus aus dem 12. Jahrhundert, mit seinem historischen Marktplatz, den Fachwerkbauten, den Wehrtürmen und Mauern, den Kirchen und dem Kloster ein historisches Erlebnis an sich, Ausgangspunkt der Christianisierung Deutschlands.

Die Geschichte Hessens als ganzes, die Ursprünge und Entwicklungen des Landes, die regionalen und lokalen Besonderheiten entsprechen seiner geographischen zentralen Lage in Europa und seiner weit zurückreichenden Besiedelung und Kultivierung.

Das beste Beispiel aus neuerer Zeit liefern die Funde vom Glauberg am Ostrande der Wetterau. Hier lassen sich, ganz abgesehen von der berühmten Statue eines "Keltenfürsten", Besiedlungen bis in die Jungsteinzeit nachweisen. Neuere Grabungen im Main-Kinzig-Kreis zeigen Entdeckungen aus dem Neolithikum, diejenigen am Dünsberg weisen auf das Zusammentreffen von Kelten und Römern hin, die Grabungen in Waldgirmes auf die römische Zeit an der Jahrtausendwende, weitere Befunde über die römische Kaiserzeit vor der Limeserrichtung stehen aus.

Solche spektakulären archäologischen Funde sind natürlich für die historischen Fachwissenschaften, für die Mitglieder der Geschichts- und Altertumsvereine und auch für die lokalen Historiker und Landeskundler nicht das "tägliche Brot".

Das Wirken der Regionalforscher, das Wissen der Regionalhistoriker bringt, gewöhnlich weniger dramatisch, aber ausgesprochen wichtig und effektiv, orts- und gebietsbezogen die Vielfalt des menschlichen Lebens in der Vergangenheit und seine Spieglungen in der Gegenwart zum Vorschein. Dazu haben die Wissenschaftler an den Universitäten und Forschungszentren kaum Zeit und Gelegenheit. Sie interessieren sich hauptsächlich für die Grundlagen der Geschichte, für weit gespannte deutsche, europäische und weltgeschichtliche historische Zusammenhänge und Gegebenheiten und liefern mit ihren Forschungen und Erkenntnissen die Basis für die detaillierten Forschungen der Regionalhistoriker, aber sie treiben, wie ich finde: leider, fast keine Landesgeschichte.

Als zuständige Ministerin sehe ich die große Bedeutung beider Forschungsebenen für die hessische Landesgeschichte. Eine themen- und projektbezogene Zusammenarbeit, getragen von dem Wunsch nach umfassender Kenntnis und Klärung im Ganzen und im Detail sowie Respekt vor den Leistungen der jeweils anderen wäre eine erstrebenswerte Grundlage für die weitere Erforschung der hessischen Landesgeschichte. Dazu müsste es bessere Arbeitszusammenhänge zwischen Archäologie, allgemeinen Geschichtsdisziplinen und speziellen landesgeschichtlichen Ansätzen geben. Dazu sollte auch das kleine wissenschaftliche Institut für Landesgeschichte in Marburg stärker einbezogen werden und die gesamte Bandbreite von Vorgeschichte, Mittelalter-, Neuzeit, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Nachkriegsgeschichte unseres Landes beachtet werden. Die Historischen Kommissionen, die Parlamentsgeschichte und die Geschichtsvereine sollten mit einbezogen werden. Hierzu könnte die Idee eines Forums des Marburger Instituts einen ersten Anstoß liefern.

Die Kenntnis der historischen Wurzeln des Landes und ihrer Menschen, seien sie lokal, regional oder landesweit, ist für die hessischen Bürgerinnen und Bürger in hohem Maße identiätsstiftend und gemeinschaftsbildend.

Die Geschichte Hessens, als eines Landes der Mitte zeigt, dass wir seit ältesten Zeiten keine abgekapselte und geschlossene Gesellschaft waren. Viele europäische und internationale Einflüsse haben an unserer Geschichte mitgewirkt und das Land zu dem gemacht, was es heute ist und was es bleiben soll: ein freies, weltoffenes Land, das sich seiner Lage in der Mitte Europas in jeder Beziehung bewusst ist.

Die hessischen Denkmäler der Baukunst und der Architektur legen ein sichtbares Zeichen dieser weltoffenen Vergangenheit ab. Archäologische Kulturdenkmäler geben Auskunft über die Entwicklung menschlicher Kultur und Zivilisation der verschiedenen Stämme und Völker auf hessischem Gebiet, über Landschafts- und Umweltveränderungen in einer Zeit, für die andere Quellen fehlen. Gerade sie lassen uns oft aktuelle Probleme in ihrer historischen Dimension erfahrbar werden und rücken sie in eine angemessene Perspektive.

Ich habe es deshalb immer bedauert, dass die Bodendenkmalpflege in Hessen seit vielen Jahren ein peripheres Dasein fristete. Dies steht auch und gerade in einem Gegensatz zu dem großen ehrenamtlichen Engagement, das im Bereich der Bodendenkmalpflege und der Geschichtsforschung weit verbreitet ist, sich in einer großen Zahl von Geschichtsvereinen organisiert und durch viele örtliche Museen wirkt.

Ein Zusammenschluss, wie der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde oder die Arbeitsgemeinschaft der hessischen Geschichtsvereine und dieser Tag der hessischen Landesgeschichte sind dafür leuchtende Beispiele.

Die Unterstützung der Geschichtsvereine ist mir immer ein großes Anliegen gewesen. Ich werde versuchen, mit Ihrem Verband über diese Fragen, wie zum Beispiel auch über die Auslobung eines Preises, zu Lösungen zu kommen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang Ihnen allen für Ihre wertvolle, idealistische Arbeit danken. Sie haben sich damit große Verdienst für unser Land, für seine Bürgerinnen und Bürger und für die Forschung und Wissenschaft erworben."



























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