Pressemitteilung Nr. 25 / 2000 vom 29.02.2000

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REGIERUNGSKABINETT BILLIGT ZWEITE NOVELLE ZUM HESSISCHEN HOCHSCHULGESETZ

Wissenschaftministerin Wagner: Hochschulreform steht unter den Leitbegriffen Autonomie, Verantwortung, Leistung und Qualität

Wiesbaden - "Die Hessische Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Leistungskraft der Hochschulen weiter zu stärken und ihre Konkurrenzfähigkeit im nationalen und internationalen Bildungswettbewerb deutlich zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, hat das Regierungskabinett heute den Gesetzentwurf für eine zweite, umfassende Reform des Hessischen Hochschulgesetzes gebilligt." Das berichtete Wissenschaftsministerin Ruth Wagner heute in Wiesbaden.
Die Gesetzesnovelle sei von besonderer Bedeutung, da sie das Verhältnis zwischen Staat und Hochschulen neu bestimme. "Wir wollen erheblich mehr Autonomie und damit Eigenverantwortung der Hochschulen mit Hilfe einer weitreichenden und konsequenten Änderung der Organisationsstrukturen erreichen, verbunden mit finanziellen Reformen", sagte Ministerin Wagner.
Der Entwurf des Hochschulreformgesetzes biete Hessens Hochschulen den adäquaten Rahmen, um ihre Profile im Wettbewerb zu schärfen, Qualität und Leistung in Forschung und Lehre weiter zu verbessern und die öffentlichen Mittel möglichst wirkungsvoll und wirtschaftlich zu nutzen. "Die Leitbegriffe dieser Reform sind Autonomie, Verantwortung, Qualität und Leistung", betonte Wissenschaftsministerin Wagner.

Hochschulen und Verbände hätten bei der schriftlichen Anhörung zum Reformvorhaben wichtige Hinweise gegeben, die zu Änderungen im Gesetzentwurf geführt hätten. Die vorliegende Novelle, die bereits im März im Hessischen Landtag zur Beratung eingebracht und noch vor der Sommerpause beschlossen werden soll, sieht insbesondere folgende Regelungen vor:

1) Neue Organisationsstrukturen

Erstmals soll an allen Hochschulen das Prinzip der organisatorischen Aufteilung von operativen Aufgaben und Grundsatz- und Kontrollfunktionen gelten.
Mit der Einführung neuer Organisationsstrukturen sollen künftig Entscheidungsprozesse vereinfacht und Kompetenzen der einzelnen Gremien und Organe klar geregelt werden. Vorgesehen sind kollegiale Leitungsorgane auf zentraler und Fachbereichsebene.

Präsidium
Der Gesetzentwurf sieht die Einführung kollegialer Hochschulleitungen mit erhöhter Kompetenz vor. Geleitet werden die Hochschulen künftig von einem Präsidium (§ 41). Zu den Aufgaben des Präsidiums gehören insbesondere der Abschluss von Zielvereinbarungen, die Aufstellung von Wirtschaftsplänen und die Verteilung der Finanzmittel.

Senat
Der Senat ist das von den Mitgliedern der Hochschule unmittelbar gewählte Repräsentativorgan für Grundsatzfragen der Hochschulen (§ 38). Er entscheidet über die Entwicklungsplanung der Hochschule und beschließt die Grundordnung. Der Gesetzentwurf sieht weitere, neue Aufgaben des Senats vor: Stellungnahmen zu den Zielvereinbarungen mit dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und zum Budgetplan. Es ist vorgesehen, dass der Senat über seinen eigenen Vorsitz selbst entscheiden kann. Möglich ist dabei auch die Wahl eines Präsidiumsmitgliedes, das im Senat über eine beratende Stimme verfügt. An der bereits mit der ersten Novellierung 1999 erreichten Aufhebung der Drittelparität wird im Gesetzentwurf festgehalten.

Dekanat
Mit der Einführung des Dekanats sollen auf Fachbereichsebene spiegelbildlich zur zentralen Leitungsebene erstmals kleine Kollegialorgane geschaffen werden (§ 49). Dem Dekanat gehören je nach Verwaltungsaufwand zwei oder drei Personen an. Die Amtszeit der Mitglieder des Dekanats soll in der Regel drei Jahre betragen, damit den gestiegenen Anforderungen an die Leitung des Fachbereichs entsprochen werden kann. Um den Besonderheiten in den jeweiligen Fachbereichen Rechnung zu tragen, kann das Präsidium eine andere Amtszeit festlegen. Die Aufgabe des Dekanats, Zielvereinbarungen mit dem Präsidium abzuschließen, soll hochschulintern die neue Steuerungs- und Finanzautonomie ermöglichen.
Laut Gesetzentwurf sollen das Präsidium und die Dekane im erweiterten Präsidium eng zusammenarbeiten (§ 41 a). Der Dekan ist Repräsentant des Fachbereichs und der unteren Verwaltungsebene der Hochschule. Der Gesetzentwurf sieht daher neu vor, dass die Wahl des Dekans der Bestätigung durch das Präsidium bedarf.

Wahlversammlung
Für die Wahl der Hochschulleitung (Präsident und Vizepräsidenten) wird eine Wahlversammlung gebildet, die je nach Hochschule aus 35 bzw. 43 Mitgliedern besteht (§ 40). Der Gesetzentwurf sieht auf Anregung der Hochschulen vor, dass die Wahlversammlung aus den stimmberechtigten Mitgliedern des Senats und seinen Vertretern gebildet wird und damit einen vergrößerten Senat darstellt. Somit verfügt das Wahlgremium über die erforderliche Fachkompetenz einer Wahlentscheidung für den Präsidenten.

Hochschulrat
Zur Erhöhung der Sachkompetenz der Hochschulorgane sowie zur Stärkung der Verbindungen zwischen Berufswelt und Hochschulen wird eine Hochschulrat eingerichtet (§ 46). Er soll die Hochschulen bei ihrer Entwicklung beraten. Dies gilt vor allem für mittel- und langfristig wirkende strategische Entscheidungen. Der Hochschulrat, dem vier Persönlichkeiten aus dem Bereich Wirtschaft und berufliche Praxis sowie drei Persönlichkeiten aus dem Bereich Wissenschaft und Kunst angehören werden, soll unter anderem Empfehlungen zu Zielvereinbarungen und Stellungnahmen zum Budgetplan abgeben.

2) Neuordnung des Finanzwesens

Die Neuordnung des Finanzwesens soll zusammen mit der Struktur- und Entwicklungsplanung für mehr Autonomie, Verantwortung und Wettbewerb an Hessens Hochschulen sorgen. Mit der Einführung von Globalbudgets erhalten die Hochschulen weitgehende finanzielle Autonomie, damit sie im Rahmen der festgelegten Zielvereinbarungen sachgerecht über den effektiven und effizienten Einsatz der Mittel selbst entscheiden können.

Programmhaushalt und Globalbudgets
Bei der Finanzierung der Hochschulen soll an die Stelle der ausgabenorientierten Kameralistik ein ergebnisorientierter Programmhaushalt treten. Die Globalisierung der Haushalte mit leistungsbezogener staatliche Mittelverteilung, Wirtschaftsplänen und doppelter Buchführung ermöglichen mehr Eigenverantwortung und eine stärkere Leistungsorientierung. Die Finanzautonomie der Hochschulen wird dadurch noch weiter gestärkt, dass die Hochschulen selbst erwirtschaftete Ertragsüberschüsse im Rahmen des Globalbudgets für die Bildung von Rücklagen behalten dürfen (§ 92).

3) Berichtspflicht und Qualitätssicherung

Voraussetzung für die Neubestimmung des Verhältnisses von Hochschule und Staat, für Globalbudgets und Zielvereinbarungen ist die Einführung eines Instrumentariums der Leistungsmessung und Qualitätssicherung. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht außerdem die ständige Evaluierung der Leistungen der Hochschule in Forschung und Lehre und bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vor (§ 95). Der Hochschulrat erhält die Aufgabe, die Hochschulen auf Gebieten des Controlling zu beraten und sie damit bei der eigenverantwortlichen Steuerung zu unterstützen.

4) Delegation von Aufgaben und Deregulierung

Die Regeldichte in Form von Genehmigungs- und Zustimmungsvorbehalten des Wissenschaftsministeriums wird reduziert. Verordnungsermächtigungen und Verwaltungsvorschriften werden aufgehoben. Dies gilt beispielsweise für:

- Hochschulen können selbst entscheiden, wie sie die Lehrerausbildung organisieren. Der Gesetzentwurf beschränkt sich auf die Feststellung, dass in der Grundordnung ein institutioneller Rahmen für die Koordinierung der Lehrerausbildung vorzusehen ist (§ 53).
- Deregulierung des Teilzeitstudiums. Der Gesetzentwurf verzichtet auf eine abschließende Regelung. Das Nähere wird durch Satzung des Präsidiums geregelt (§ 70).
- Weitere Reduzierung von Gremien, beispielsweise durch den Wegfall des "Akademischen Kollegiums".
- Wissenschaftliche und technische Einrichtungen. Institutsgründungen können ohne Beteiligung des Ministeriums erfolgen. Der Gesetzentwurf nimmt hier die gesetzliche Regelungsdichte zurück (§ 52).

5) Weitere wichtige Einzeländerungen des Hochschulgesetzes

- Rechtsstellung. Die Landesregierung kann einer Hochschule des Landes auch eine andere öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsform geben (§ 1).
- Frauenförderung. Die Durchsetzung der Gleichberechtigung als Aufgabe der Hochschulen wird im Gesetzentwurf mit einem eigenen Paragrafen hervorgehoben (§ 4a).
- Wissens- und Technologietransfer. Die Hochschulen fördern den Wissens- und Technologietransfer in die berufliche Praxis und unterstützen die Absolventen bei der Existenzgründung (§ 3)
- Aufhebung des allgemeinpolitischen Mandats bei den Studentenschaften (§ 99).

6) Fortsetzung der Studienstrukturreform

- Zwischenprüfungen in Studiengängen mit einer Regelstudienzeit von mindestens vier Jahren (§ 22)
- Modularisierung des Studiums. Zur Übertragung von Leistungen auf andere Studiengänge soll nach einem Punktsystem verfahren werden, welches das europäische Credit-Point-System berücksichtigt (§ 24).
- Betreuung der Studierenden durch Mentorentätigkeit (§ 26).
- Internationalisierung des Studiums, z.B. durch Bachelor- und Master-Abschlüsse (§ 27)
- Ermöglichung des Teilzeitstudiums. Grundständige Studiengänge sollen auch die Möglichkeit eröffnen, neben einer teilweisen Ausübung eines Berufes den Hochschulabschluss zu erlangen (§ 19).
- Die Universitäten eröffnen Absolventen gleicher und verwandter Fachhochschulstudiengänge die Möglichkeit, durch ein erfolgreiches mit einer Prüfung abschließendes Studium von zwei Semestern das Diplom zu erwerben (§ 19)


Der Gesetzentwurf für eine zweite Reform des Hessischen Hochschulgesetzes kann eingesehen werden in der Homepage des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst unter der Internet-Adresse: www.hmwk.hessen.de/gesini/default.htm.



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