Pressemitteilung Nr. 182 / 2001 vom 03.12.2001

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BUNDESVERDIENSTKREUZ FÃœR DR. MARGARETE MITSCHERLICH-NIELSEN UND DR. WALTER PEHLE AUS FRANKFURT

Ministerin Ruth Wagner: Ausgezeichnete eint das besondere Engagement für die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit

Wiesbaden - Aus Anlass des 50. Stiftungsjubiläums des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland hat Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Ruth Wagner, im Namen des Bundespräsidenten heute in Wiesbaden zwei verdiente Bürgerinnen und Bürger mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Die in Frankfurt lebende Psychoanalytikerin und Autorin Dr. Margarete Mitscherlich-Nielsen erhielt im Rahmen einer Feierstunde das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland für ihr Lebenswerk. Außerdem wurde Dr. Walter Pehle, Historiker und Lektor aus Frankfurt mit dem Verdienstorden am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik ausgezeichnet.

"Die Ausgezeichneten eint das außergewöhnliche Engagement, mit der sie die Auseinandersetzung der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit angemahnt und angestoßen haben", betonte Ruth Wagner. Dr. Margarete Mitscherlich-Nielsen habe mit ihrem wissenschaftlichen und publizistischen Werk wie kaum eine andere Frau entscheidende Impulse für die gesellschaftliche Debatte in der Bundesrepublik gegeben, betonte die Ministerin. Dr. Walter Pehle sei als Herausgeber, Lektor und auch Autor der "Schwarzen Reihe" im S. Fischer-Verlag ein publizistischer Vorreiter der Aufklärung über den Nationalsozialismus, so Ruth Wagner.

Dr. Margarete Mitscherlich-Nielsen, geboren in Graasten (Dänemark), wuchs in Dänemark und Deutschland auf. Sie studierte Medizin und Literatur in München und Heidelberg, 1950 promovierte sie in Tübingen zum Dr. med. Ihre spätere psychoanalytische Ausbildung absolvierte sie in den 50er Jahren in Heidelberg, Stuttgart und London. Sie praktizierte und lehrte Psychoanalyse am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt. Der breiten Öffentlichkeit wurde sie bekannt durch das 1967 erschienene Buch "Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens", das sie gemeinsam mit ihrem Mann, Alexander Mitscherlich, verfasst hat. "Mit ihren psychoanalytischen Studien machten Sie damals eindringlich deutlich, dass eine wirkliche Auseinandersetzung der Deutschen mit der eigenen Verstrickung in den Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit nicht stattgefunden hatte", betonte Ruth Wagner. Mit der These der fehlenden Aufarbeitung der eigenen schuldhaften Vergangenheit habe sie den entscheidenden Anstoß dazu gegeben, dass die im Werk angemahnte Auseinandersetzung tatsächlich in Angriff genommen worden sei.

Die Geschlechterbeziehungen und das Rollenverhalten der Frau in der Politik seien darüber hinaus Themen, mit denen sich die Psychoanalytikerin und Autorin in ihrem Lebenswerk beschäftigt habe. Sie gehöre zu den engagiertesten Frauenrechtlerinnen und habe mit ihrer Forschungsarbeit sowie zahlreichen Veröffentlichungen wie "Die friedfertige Frau", "Über die Mühsal der Emanzipation" oder "Psychoanalytische Diskurse über die Weiblichkeit von Freud bis heute" von sich reden gemacht, sagte die Ministerin. Dr. Margarete Mitscherlich-Nielsen ist Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung, der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, des P.E.N.-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland sowie des Beirats des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Sie wurde unter anderem mit der Leuschner-Medaille ausgezeichnet, erhielt den Flensburger Kulturpreis und die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt.

Dr. Walter Pehle, geboren in Düsseldorf, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie, und promovierte 1976. Als Historiker und renommierter Lektor beim S. Fischer-Verlag, für den er seit 1976 in Frankfurt tätig ist, widmet sich Dr. Walter Pehle vor allem der nationalsozialistischen Vergangenheit. Er ist Herausgeber der bekannten "Schwarzen Reihe" des Frankfurter Verlagshauses. Unter dem Titel "Die Zeit des Nationalsozialismus" habe diese Reihe einem breiten Publikum grundlegende Forschungen hervorragender Wissenschaftler zu diesem Thema zugänglich gemacht, betonte Ruth Wagner. Dem Herausgeber sei es gelungen, mit der "Schwarzen Reihe" einer breiten Leserschaft die Eroberungs-, Besatzungs- und Vernichtungspolitik sowie die fatale Ideologie des nationalsozialistischen Unrechtsstaates vor Augen zu führen. Seine intensive Aufklärungsarbeit gegen Vergessen und Verdrängen des Nationalsozialismus habe starke Beachtung gefunden. Mit großer Überzeugungskraft, wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit und Intensität habe er das allgemeine Bewusstsein der deutschen Bevölkerung geschärft, so die Ministerin. Für sein außergewöhnliches Werk wurde Dr. Walter Pehle 1997 die Goetheplakette der Stadt Frankfurt verliehen. Ferner zeichne sich der renommierte Lektor durch sein Engagement für die europäische Einigung, die er mit einer Reihe zur "Europäischen Geschichte" fördere, und seine ehrenamtliche Arbeit für das Frankfurter Literaturhaus aus.


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