Pressemitteilung Nr. 161 / 2002 vom 03.12.2002

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Kunstministerium stimmt Abbruch des "Hochtief-Hochhauses" in Frankfurt zu

Ruth Wagner: Gutachter sehen bei Sanierung erhebliche unkalkulierbare Risiken für die Standfestigkeit des Gebäudes

Frankfurt/Wiesbaden - Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst hat heute dem Magistrat der Stadt Frankfurt auf der Grundlage von Paragraph 18, Absatz 3 des Hessischen Denkmalschutzgesetzes die Weisung erteilt, dem Abbruchantrag der Eigentümerin Hochtief AG bezüglich des Hochhauses Bockenheimer Landstrasse 24 in Frankfurt zuzustimmen. Kunstministerin Ruth Wagner sagte in Wiesbaden, diese schwierige Entscheidung des Ministeriums sei nach reiflicher Überlegung getroffen worden. Sie beruhe auf einer intensiven Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten der Denkmalbehörden, des Landesdenkmalrates, der Eiermanngesellschaft, der Eigentümerin Hochtief AG und den Feststellungen der Gutachter, insbesondere von dem renommierten Kasseler Hochschullehrer und Architekten Prof. Jochem Jourdan.

Die Weisung des Ministeriums sei nach geltendem Denkmalschutzgesetz notwendig geworden, weil die Untere Denkmalschutzbehörde beim Magistrat der Stadt Frankfurt und das Landesamt für Denkmalschutz kein Einvernehmen erzielt hätten. Die Untere Denkmalschutzbehörde befürworte den Abbruch des Hochhauses, das Landesdenkmalamt lehne dies ab. Das in solchen Fällen durchzuführende Schlichtungsverfahren beim Regierungspräsidium Darmstadt sei erfolglos geblieben.

Ministerin Wagner sagte, bei dem Hochtief-Hochhaus handele es sich - ebenso wie bei den Olivetti-Hochhäusern in Frankfurt - um einen bedeutenden Bau der Hochhausentwicklung der Bundesrepublik der Sechzigerjahre durch den Architekten Prof. Egon Eiermann. Aus städtebaulichen, geschichtlichen und künstlerischen Gründen sei das Gebäude als Kulturdenkmal eingestuft worden. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass zur Bauzeit des Gebäudes (1966-1968), also vor Inkrafttreten des Hessischen Denkmalschutzgesetzes, auf dem Platz, auf dem das heutige Hochtief-Hochhaus steht, bereits Gründerzeit-Villen gestanden hätten, die nach heutigem Denkmalschutzrecht ebenfalls Kulturdenkmäler wären und dennoch seinerzeit abgerissen worden seien. Nach dem Tod von Prof. Eiermann sei das Hochhaus1973/1974 höher aufgestockt worden als in der ursprünglichen Planung vorgesehen.

Die Kunstministerin erläuterte, bei der Entscheidung des Ministeriums über die Erhaltung des Denkmals oder die Abrissmöglichkeit habe die Abwägung privater und öffentlicher Interessen eine zentrale Rolle gespielt. Zwar habe keiner der Gutachter bestritten, dass eine Sanierung grundsätzlich möglich sei. Jedoch habe letztlich das Gutachten von Prof. Jochem Jourdan überzeugt. Darin sei dem Gebäude sowohl in seinem heutigen Zustand als auch nach der Sanierung eine problematische Zukunft attestiert worden. Es seien tief greifende Sanierungen notwendig, sodass von der heutigen Originalsubstanz lediglich der Rohbau übrig bliebe und gestaltbildende Außenteile in der Originalität verloren gingen. Eine Sanierung mit authentischem Material sei nur begrenzt möglich, das Resultat sei eher eine Kopie als ein Denkmal. Hinzu komme, so Ministerin Wagner, dass in diesem Fall die Denkmalpflege bei der Sanierung eines modernen Gebäudes von ihren ursprünglichen Forderungen nach Authentizität abgerückt sei.

Wagner sagte, ein nicht kalkulierbares Risiko hätten mehrere Gutachter im Falle einer Sanierung für die so genannte "Schwarze Wanne" festgestellt, die das Fundament des Gebäudes gegen Grundwasser abdichte und dessen Stahlarmierungen gegen Korrosion schützten. Bei einer Sanierung bestünde die Gefahr, dass die "Schwarze Wanne" beschädigt werden könnte. Die Gutachter und die hessische Landesprüfstelle für Baustatik könnten, so die Kunstministerin, nicht ausschließen, dass die "Schwarze Wanne" durch Setzungen und Veränderungen, insbesondere durch die Aufstockung des Gebäudes, bereits in seiner Statik in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Durch die starke Beanspruchung in ihrer Vorgeschichte sei sie gefährdet, sodass hier im Falle einer Sanierung des Gebäudes infolge zwangsläufiger Lastumlagerung das Risiko für eine Schädigung deutlich weiter steigen würde. Eine Sanierung der "Schwarzen Wanne" sei, so die Gutachter, aus Gründen der Unzugänglichkeit nicht möglich. Das entstehende Risiko beschränke sich nicht nur auf den Schutz vor eindringendem Wasser, sondern könne die Standfestigkeit des Gebäudes gefährden, wenn die Stahlarmierung korrodiert sei.

Nach Angaben von Ministerin Wagner haben auch andere Institute, wie zum Beispiel das Otto-Graf-Institut der Universität Stuttgart, dringend davon abgeraten, die "Schwarze Wanne" näher zu untersuchen. Sie könnte bereits durch die Untersuchungen wie etwa das Ziehen eines Bohrkerns beschädigt werden.

"Die Experten haben für den Fall einer Sanierung nicht nur erhebliche unkalkulierbare Risiken für die Standfestigkeit des Gebäudes, sondern auch den Verlust der Authentizität dieses Denkmals festgestellt. Eine Sanierung des Hochhauses, auch wenn dies kostengünstiger wäre als ein Neubau, kann dem Eigentümer nur dann zugemutet werden, wenn die genannten Risiken hinsichtlich der Stabilität des Gebäudes ausgeschlossen werden können. Aus diesen Gründen hat das Ministerium dem Magistrat der Stadt Frankfurt die Weisung erteilt, dem Abbruchantrag der Hochtief AG zuzustimmen", sagte Kunstministerin Wagner.

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