Pressemitteilung Nr. 19 / 2005 vom 22.02.2005

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Hessische Landesregierung fordert Zuständigkeit bei Bologna-Prozess ein

Klage gegen unabgestimmtes Förderprogramm des Bundes beim BVerfG eingereicht

Die Hessische Landesregierung hat gegen die ohne Beteiligung der Länder geplante Hochschulförderung des Bundes im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess* einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht. „Wir müssen uns erneut gegen einen Versuch von Bundesbildungsministerin Bulmahn zur Wehr setzen, sich hinter dem Rücken der Länder Zuständigkeiten in der Bildungspolitik zu erschleichen. Mit dem Förderprogramm für ein ‚Kompetenzzentrum zur Unterstützung der Bologna-Reform’ unterläuft der Bund noch während der laufenden Bund-Länder-Verhandlungen über die gemeinsame Umsetzung des Bologna-Prozesses Rechte und Kompetenzen der Länder. Mit der dafür in Aussicht gestellten finanziellen Unterstützung aus Bundesmitteln legt Frau Bulmahn zudem einen faulen Köder aus, um die Hochschulen gegen die Länder auszuspielen“, begründeten der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Staatsminister Stefan Grüttner, und der Hessische Wissenschaftsminister Udo Corts heute auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Wiesbadener Landtag den Gang Hessens vor das BVerfG.

„Die Einrichtung und Ausgestaltung von Studiengängen und -abschlüssen sowie die Finanzierung dieses Vorgehens ist eine Kernkompetenz der Länder. Das Förderprogramm des Bundes ist somit verfassungswidrig“, stellte Grüttner klar. Zudem bringe der ausgeworfene Köder die Hochschulen durch die an ihn gekoppelte Verpflichtung zur flächendeckenden Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und zur zeitgleichen Einstellung von Diplom-, Magister- und Staatsexamensstudiengängen bis spätestens zum Wintersemester 2007/08 in einen „keineswegs notwendigen, aber fraglos beabsichtigten Zeitdruck. Die Hochschulen werden faktisch gezwungen, die Umstellung nicht nach und nach, sondern übereilt vorzunehmen. Der Bund hat bereits begonnen, seine Förder- und Finanzierungsvorhaben in die Tat umzusetzen und will so offenkundig vollendete Tatsachen schaffen, noch bevor die Länder die Verfassungsmäßigkeit seines Vorgehens überprüfen lassen konnten“, sagte Grüttner. Um unumkehrbare Schäden zu vermeiden, sei die einstweilige Anordnung dringend geboten. Denn nur durch ein baldiges Eingreifen des BVerfG könne der bereits entstandene Zustand korrigiert und eine weitere Gefährdung der bundesstaatlichen Kompetenzordnung verhindert werden.

Da eine direkte Mittelvergabe an die Hochschulen den tatsächlichen Zweck des Förderprogramms - nämlich das Vereinnahmen von Länderkompetenzen in der Hochschulpolitik - zu offensichtlich werden ließe, bediene sich Frau Bulmahn der Hochschulrektorenkonferenz, erläuterte Corts Details zum Vorgehen des Bundes: „Die Rektoren werden ganz bewusst als Instrument benutzt, um mit ihrer Hilfe die Länder bei der Bildungsplanung zu umgehen. Diese Planung darf per Grundgesetz jedoch ausschließlich im Einverständnis mit den Ländern verwirklicht werden.“

Der Landesregierung gehe es bei ihrer Klage keinesfalls darum, eine Hochschulförderung durch den Bund generell zu unterbinden oder gar die Einführung von Bachelor- und Masterstudienabschlüssen zu verhindern. „Wir bitten vielmehr das Bundesverfassungsgericht darum - wie bereits bei den Regelungen zur Juniorprofessur und zu Studiengebühren geschehen - eindeutig sicher zu stellen, dass der Bund die Länderkompetenzen in der Bildung respektiert“, betonte Corts.

Bund und Länder hätten sich auf Maßnahmen zur Angleichung des europäischen Hochschulwesens geeinigt. So seien in der Folge der Neuregelungen des Hochschulrahmengesetzes das Hessische Hochschulgesetz novelliert und dadurch unter anderem die Einführung der neuen Abschlüsse ermöglicht worden. „Im Verhältnis zu anderen Bundesländern hat Hessen die meisten akkreditierten Bachelor- und Master-Studiengänge. Auch wenn die entsprechenden Zahlen der Studierenden prozentual noch relativ gering sind, zeigt sich doch die Dynamik des Anstiegs sehr deutlich, denn allein von 1999 bis 2003 hat sich ihre Zahl mehr als versechsfacht“, belegte Corts die Fortschritte Hessens im Bologna-Prozess mit Zahlen. Dabei sei den Hochschulen aber nicht die Möglichkeit der Fortführung von Diplom-Studiengängen genommen worden.

„Wir wollen mit der Klage verhindern, dass der Bund ohne die Zustimmung des Landes den Hochschulen durch die Hintertür seine Vorstellungen für die inhaltliche und zeitliche Ausgestaltung von Studiengängen aufzwingt“, betonte Corts und erklärte weiter: „Wenn das Land zulässt, dass die Hochschulen diesen Köder schlucken und sich damit vom Bund faktisch ’kaufen’ lassen, ist es doch nur eine Frage der Zeit, wann der Bund seinen bereits gewonnenen Einfluss ausweitet – und dabei hofft, dass die Hochschulen und auch die Länder getreu dem Motto: ‚Beiß nie die Hand, die dich füttert’ die Köpfe einziehen.“


* Als „Bologna-Prozess“ wird die Vorbereitung und Umsetzung der am 19. Juli 1999 in Bologna abgegebenen Erklärung der Bildungsminister vieler europäischer Staaten zur europaweiten Harmonisierung des Hochschulwesens bezeichnet. Um dieses Ziel zu erreichen, sind auf nationaler Ebene unter anderem die Hochschulregelungen novelliert und den Zielen der Bologna-Erklärung angepasst worden.

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