Pressemitteilung Nr. 127 / 2005 vom 15.07.2005

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„Ein historischer Tag für Hessen und ganz Deutschland“

Ministerpräsident Koch und Wissenschaftsminister Corts: Aufnahme des römischen Limes in Weltkulturerbe-Liste von überragender Bedeutung für Denkmalpflege, Forschung und Tourismus

Wiesbaden – „Nicht nur für Hessen, sondern für ganz Deutschland bedeutet die Aufnahme des römischen Limes in die Liste des Weltkulturerbes einen Höhepunkt und Ansporn für alle Bemühungen um die Bewahrung archäologischer Denkmäler.“ Mit diesen Worten hat der Hessische Ministerpräsident Roland Koch auf die Entscheidung des Welterbe-Komitees der UNESCO reagiert, das bei seiner Sitzung im südafrikanischen Durban die Eintragung des Obergermanisch-Raetischen Limes als Welterbe beschlossen hat. Udo Corts, Hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst, hob hervor, dass mit dem Limes nun ein viertes Denkmal in Hessen diese hohe Auszeichnung bekommen hat. „Darauf sind wir natürlich besonders stolz.“ Auf der Liste des Weltkulturerbes stehen bereits das Kloster Lorsch und das Obere Mittelrheintal; die Grube Messel bei Darmstadt zählt zum Weltnaturerbe.

Minister Corts wies darauf hin, dass mit der Aufnahme des zwischen 100 n.Chr. und 160 n.Chr. ausgebauten Limes auf die Unesco-Liste ein grundsätzlich neuer Ansatz des Welterbe-Programms gewürdigt worden ist: Die frühere römische Grenze ist von der Konzeption her das erste Weltkulturerbe, an dem mehr als zwei Staaten Anteil haben sollen. So werden der englische Hadrians Wall, bereits seit 1987 Welterbe, und der Obergermanisch-Raetische Limes künftig zusammen die ersten beiden Teilabschnitte eines übernationalen Weltkulturerbes bilden, das unter dem Namen „Grenzen des Römischen Reichs“ einmal zwei Dutzend Staaten entlang aller Außengrenzen des ehemaligen Imperium Romanum umfassen soll. Diese mehr als 5000 Kilometer lange Grenzlinie erstreckte sich einst über drei Kontinente, von Großbritannien bis zum Euphrat, vom Schwarzen bis zum Roten Meer und entlang der Wüste Nordafrikas bis zum Atlantik. Das ambitionierte Projekt bietet so neue Chancen für den Schutz von Kulturgütern. „Die einstige Grenzlinie hat damit endgültig verbindende Qualitäten erlangt und ist zu einem herausragenden Gegenstand internationaler Zusammenarbeit geworden“, sagte Corts.

Mit der Entscheidung des UNESCO-Welterbe-Komitees findet ein Projekt seinen erfolgreichen Abschluss, das die vier Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz 1999 begonnen hatten. Die Initiative dazu war schon 1996 vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst ausgegangen, als damals die erste gesamtdeutsche Anmeldeliste der Bundesrepublik Deutschland für das Welterbe der UNESCO zwischen den Bundesländern neu ausgehandelt wurde. In der mehr als vierjährigen Vorbereitungszeit wurde unter anderem der gesamte, rund 550 Kilometer lange Limesverlauf in Deutschland neu inventarisiert und in einer Datenbank zugänglich gemacht, bevor der rund 200 Seiten starke Antrag im Januar 2004 dem Welterbezentrum in Paris übergeben werden konnte. Er beschreibt alle erhaltenen Zeugnisse der vor rund 1900 Jahren erbauten Militärgrenze und begründet die wichtige Rolle, die dem Limes gerade in Deutschland als Kontaktzone zwischen der Welt der Klassischen Antike und den „Barbaren“ des Nordens zukommt. Das vom Internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS im April 2005 vorgelegte Gutachten zum Weltkulturerbe-Antrag bescheinigt dem Limes herausragenden, universellen Wert als „größtes Einzeldenkmal der römischen Epoche sowie als Zeugnis für die Verbreitung römischer Kultur, die einen Gutteil der nachfolgenden Entwicklung Europas formte“. Das neue Weltkulturerbe „Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-Raetischer Limes“ umfasst eine Fläche von etwa 250 Quadratkilometern und durchzieht in den vier Bundesländern mehr als 150 Kommunen und 20 Landkreise.

Minister Corts zeigte sich zuversichtlich, dass die Auszeichnung auch der Denkmalpflege bei ihrer täglichen Arbeit helfen wird: „Das Prädikat soll die Sensibilität der Anwohner wie der öffentlichen Stellen für die Verletzbarkeit der antiken Grenzanlagen erhöhen. Denn mancher Limesabschnitt und auch einige Kastelle wurden noch bis in jüngste Zeit hinein durch Neubauvorhaben unwiederbringlich zerstört.“ Hessen hat der Bedeutung der einstigen römischen Grenze als erstes Bundesland bereits durch die Vorlage des Limesentwicklungsplans Rechnung getragen. Den Managementplan für den Umgang mit dem einzigartigen historischen Erbe hatte Corts vorige Woche im Römerkastell Saalburg bei Bad Homburg präsentiert.

Die Aufnahme in das Weltkulturerbe ist nach seinen Worten darüber hinaus von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die künftige wissenschaftliche Erforschung und den Tourismus an der römischen Grenze. Gut hundert Jahre nach den systematischen Untersuchungen der 1892 gegründeten Reichs-Limeskommission erbrachte das neuerliche Studium aller verfügbaren Quellen während der Vorarbeiten zum Welterbe-Antrag teils erstaunliche Ergebnisse, die das bekannte „Schulbuchwissen“ zum Obergermanisch-Raetischen Limes korrigieren. Seit mehreren Jahren erfreuen sich bereits Museen und Denkmale entlang der Strecke zwischen Rhein und Donau eines verstärkten Besucherinteresses. Dies ist auch das Verdienst des Vereins Deutsche Limes-Straße, einer Touristikroute, in der sich die wichtigsten Städte, Gemeinden und Kreise entlang der Grenzlinie zusammengefunden haben (www.limesstrasse.de).

Die 2003 gegründete Deutsche Limeskommission, die auf Initiative des hessischen Wissenschaftsministers ihren Sitz auf der Saalburg bekommen hat, koordiniert künftig alle Aktivitäten, die Schutz, Erforschung und touristische Präsentation des Obergermanisch-Raetischen Limes betreffen. Die zwölfköpfige Kommission besteht aus Vertretern der für Denkmalschutz zuständigen Ministerien, der Universitäten, der Forschungseinrichtungen und Museen am Limes, des Vereins Deutsche Limesstraße und den Landesarchäologen.

Die UNESCO-Welterbekonvention von 1972 ergänzt nationale Schutz-Programme. Materielle Unterstützung durch die Vereinten Nationen ist damit in der Regel nicht verbunden. Die Staaten benennen freiwillig Kultur- und Naturstätten für die UNESCO-Liste. Sie verpflichten sich damit jedoch, durch gesetzliche, technische und andere Schutzvorkehrungen Bestand und Wertigkeit des angemeldeten Guts zu erhalten. Zum Erbe der Welt gehörten bisher (Stand: Ende 2004) 788 Kultur- und Naturstätten in 134 Staaten der Erde; in Deutschland waren es dreißig.

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