Pressemitteilung Nr. 40 / 2006 vom 23.03.2006

zurück

Hessen gibt antiken Marmorkopf aus Kasseler Museen nach Italien zurĂĽck

Skulptur erwies sich als Diebesgut / Corts: Land folgt ethisch-moralischen Grundsätzen

Wiesbaden / Kassel – Das Land Hessen hat den antiken Marmorkopf eines Jünglings, der sich seit 1992 in den Staatlichen Museen Kassel befand, an die italienischen Kulturbehörden zurückgegeben. Im Jahr 2004 hatte sich herausgestellt, dass die Skulptur 1977 aus dem Museum von Licenza in Latium gestohlen worden war. Der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, übergab gemeinsam mit dem Direktor der Staatlichen Museen Kassel, Dr. Michael Eissenhauer, und dem Leiter der Sammlung Antike, Dr. Rüdiger Splitter, das Kunstwerk an die italienische Generalkonsulin Rosa Maria Chicco und den Vorsitzenden der „Commissione Interministeriale per il Recupero delle Opere d’Arte“ aus Rom, Botschafter Massimo Baistrocchi. „Das Land folgt bei der Rückgabe vor allem ethischen und moralischen Grundsätzen und setzt auf eine gute Zusammenarbeit mit den italienischen Kulturbehörden“, sagte der Minister bei dem Treffen in der Antikensammlung im Schloss Wilhelmshöhe. Eine rechtliche Verpflichtung zur Herausgabe besteht nicht, denn die Staatlichen Museen Kassel und das Land Hessen haben sich die Skulptur mittlerweile „ersessen“: Nach deutschem Zivilrecht sind sie inzwischen Eigentümer des Marmorkopfs geworden.
Das 32,5 cm große Kunstwerk aus weißem Marmor ist vermutlich um das Jahr 30 vor Christus entstanden und stellt wohl einen Satyrn dar. Es wurde 1911 in der Villa des römischen Dichters Horaz bei Licenza gefunden. Die technische Zurichtung der Rückseite und des Halses spricht dafür, dass der Kopf ursprünglich vor einer Wand oder einem Pfeiler angebracht war. Solche so genannten Hermengalerien und -balustraden sollten von den Römern geschätztes „griechisches“ Flair erzeugen und wurden von römischen Werkstätten zur Ausstattung von Villen in großer Zahl hergestellt. Der Kopf gehört einem archaistischen Typus an, der in einer Reihe von Exemplaren überliefert ist. Die sichtbare Zahnreihe in Verbindung mit einem fröhlichen Lachen geht auf hellenistische Darstellungen von Satyrn und Nymphen zurück, die zum Gefolge des Gottes Dionysos gehören. Obwohl die Frisur nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, handelt es sich aufgrund der Gesamterscheinung höchstwahrscheinlich um einen Satyrn.
Die wertvolle Skulptur war am Neujahrstag 1977 aus dem Museo Oraziano di Licenza gestohlen worden. Das Museum der 55 Kilometer von Rom entfernten Stadt beherbergt archäologische Funde aus der Villa des Horaz. Der antike Marmorkopf befand sich seit 1992 als Leihgabe in den Staatlichen Museen Kassel und war schließlich im Jahr 2000 im Kunsthandel für umgerechnet rund 10.000 Euro erworben worden. Seinerzeit wurde der Kopf von der Fachwelt als „bisher noch nicht bekannt“ eingestuft. Zu seiner Herkunft wurde damals mitgeteilt, dass er in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts von einem Privatsammler auf der griechischen Insel Rhodos gekauft worden sei.
Der Diebstahl von Licenza wurde erst in jüngster Zeit bekannt: Die „Commissione Interministeriale per il Recupero delle Opere d’Arte“ aus Rom hatte im Herbst 2004 unter Vorlage eindeutiger Belege die Staatlichen Museen Kassel aufgefordert, den gestohlenen Marmorkopf zurückzugeben. Sie hatte sich dabei auf den „ICOM - Code of Ethics for Museums“ – die 1986 veröffentlichten ethischen Richtlinien des Internationalen Museumrats – und internationale Kulturabkommen bezogen. Hessen gibt diesem Gesuch nun nach. Die Rückgabe der Skulptur nach Italien ist mit dem Landesrechnungshof und dem Hessischen Finanzministerium abgestimmt.

zurück

SeitenanfangSeitenanfang

 

© Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst